“Man kann eine lebenden Menschen knechten und ihn auf den geschichtlichen Zustand einer Sache reduzieren. Doch wenn er stirbt und sich dagegen aufbäumt, hält er eine menschliche Natur hoch, die diesen Zustand verwirft. Deshalb wird der Angeklagte der Welt nur vorgeführt, wenn er gesteht, sein Tod sei gerecht und angemessen dem Reich der Sachen. Man muss ehrlos sterben oder nicht mehr sein, weder im Leben noch im Tod. In diesem Fall stirbt man nicht, man verschwindet.”
Albert Camus – Der Mensch in der Revolte
Die Zeiten werden rauer, ohne Zweifel, rechtspopulistische Parteien, mitsamt ihren mehr oder weniger offen faschistischen Flügeln, eilen von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, das Festung Europa wird mit tödlichen pushbacks und outgesourcten Internierungslagern in Osteuropa und auf dem afrikanischen Kontinent verteidigt, die Nato findet sich nun im zweiten Jahr im Stellvertreterkrieg mit Russland wieder, die Infrastruktur und die ‘Zivilgesellschaft’ werden ‘kriegstauglich’ umgebaut. Von verpflichtenden Zwangsdiensten für Rentner bis zur Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht (in welcher Form auch immer gegendert) wird alles in den dominanten Diskurs geworfen, was der Markt hergibt.
Der Widerstand dagegen steht auf scheinbar verlorenem Posten, vor allem in diesem Land, in dem sich fast alles in symbolischen Events wie jüngst anlässlich des AfD Parteitages oder gar im Schulterschluss mit der herrschenden Klasse im “Wir sind mehr” verliert. Die wenigen handlungsfähigen, militanten Antifa Strukturen stehen unter repressiven Dauerfeuer, Dutzende von Gefährt*innen werden mit Ermittlungsverfahren und Hausdurchsuchungen überzogen, etliche sitzen im Knast oder mussten untertauchen. Der letzte Versuch, sich massenhaft gegen diesen repressiven Angriff anlässlich der Urteilsverkündungen im sogenannten Antifa-Ost
-Verfahren zu stellen endete im Desaster und einem Bullenkessel und Ermittlungsverfahren im vierstelligen Bereich.
Das alles hat nichts und alles mit der Geschichte des bewaffneten Antagonismus, der Geschichte der Revolutionären Zellen, der Roten Zora, der Bewegung 2. Juni und der RAF zu tun. Deren Erfolge, Irrtümer und Niederlagen, die nur unzureichend und nicht ansatzweise kollektiv aufgearbeitet wurden, setzen bis heute auch den Rahmen, innerhalb dessen sich alle Diskussionen über eine revolutionären Antagonismus, wie bewusst oder unbewusst sie sich dessen auch sein mögen, bewegen und navigieren.
Wenn wir nun also zu der schon angekündigten Podiumsdiskussion am 12. Juni einladen, geht es uns um den geschichtlichen Kontext, in dem wir uns alle bewegen, egal auf welcher Ebene und mit welchen Mitteln wir an der Rekonstruktion einer grundsätzlichen, antagonistischen Tendenz arbeiten. Wir haben mit der Themenauswahl unserer Veranstaltungsreihe ‘Gezeiten der Revolte’ grob skizziert, in welchen Spannungsfeldern wir uns und unsere Ansätze und Vorschläge wiederfinden, insofern ergibt sich die Solidarität mit den ehemaligen Militanten der RAF ebenso wie die Solidarität mit dem militanten Antifas aus eben diesen gemeinsamen Bedingungen und Suchbewegungen, in den wir uns alle wiederfinden.