Burghart Klaussner: »Wunschloses Unglück« von Peter Handke, 5. November 2013
Vers- & Kaderschmiede: BURGHART KLAUSSNER : "Wunschloses Unglück" von Peter Handke, Polittbüro Hamburg, Dienstag 5. November 2013, 20 Uhr.
"Es ist inzwischen fast sieben Wochen her, seit meine Mutter tot ist, und ich möchte mich an die Arbeit machen, bevor das Bedürfnis, über sie zu schreiben, das bei der Beerdigung so stark war, sich in die stumpfsinnige Sprachlosigkeit zurückverwandelt, mit der ich auf die Nachricht von dem Selbstmord reagierte." Was Peter Handke sich hier vornimmt – wir schreiben das Jahr 1972 – führt zu einer beeindruckenden Erzählung eines Frauenlebens: Verständnisvoll und einfühlsam, analytisch und distanziert, die gesellschaftlich erzwungenen Ausweglosigkeiten und Ausbruchsversuche dagegen beschreibend. Frei von Phrasen und Klischees. Einige Auszüge: - "Als Frau in diese Umstände geboren zu werden, ist von vornherein schon tödlich gewesen. Die Wahrsagerinnen auf den Kirchtagen lasen nur den Burschen ernsthaft die Zukunft aus den Händen, bei den Frauen war die Zukunft ohnehin nichts als ein Witz." - "Das Stadtleben: kurze Kleider, Schuhe mit hohen Absätzen, Wasserwellen und Ohrklipse, die unbekümmerte Lebenslust. Sogar ein Aufenthalt im Ausland!, als Stubenmädchen im Schwarzwald." - "Wie gern wäre sie richtig leichtsinnig gewesen! … Immerhin, und das war in dieser Umgebung schon viel, gewöhnte sie sich das Rauchen an und rauchte sogar in der Öffentlichkeit." - "Sie versuchte, unordentlich zu werden, aber dazu hatten sich die täglichen Handgriffe schon zu sehr verselbständigt."