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Erinnerung an Achim Szepanski, Veranstaltung, Berlin, 30.11.2024 + GROOVE

Veranstaltung mit politischen und musikalischen Weggefährten in Gedenken an Achim Szepanski
Sa., 30.11.2024 // 20 Uhr // Montagsbar // Fehrbelinerstr. 6, nähe U Senefelder Platz, Berlin

Achims Tod hat eine Lücke hinterlassen, die wir - Genosssen, Freunde, Weggefährten - nicht zu füllen vermögen, soweit wir überhaupt dazu in der Lage sind, diesen Verlust wirklich zu begreifen. Wir wollen uns an ihn gemeinsam an einem Abend in Berlin erinnern, in Worten, Botschaften, Erinnerungen, Reflexionen, mit seinen Texten und seiner Musik.

 

Ein Abend mit Beitrgägen von JOSHUA CLOVER, KARL-HEINZ DELLWO, LAIN IWAKURA, SASCHA KÖSCH, SEBASTIAN LOTZER u.a. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, bei Musik und Getränken noch gemeinsam Zeit zu verbriingen. 

Die Veranstaltung findet am Samstag, den 30.11. 2024 um 20 Uhr in der 'Montagsbar' in der Fehrbelliner Straße 6 in Berlin Prenzlaufer Berg statt (U-Bahnhof Senefelder Platz).

Eine Veranstaltung von: @gadak-hh; @communeeditions; @debug.de; @ezili.i.sabbah

Hier auch die Erinnerung der online-Zeitschrift GROOVE mit einigen Weggefährten von Achim:

https://groove.de/2024/11/29/achim-szepanski-wegbegleiter-erinnern-sich-an-den-mille-plateaux-labelmacher/

Aus GROOVE:

Karl-Heinz Dellwo  (ehemaliges Mitglied der RAF, Autor und Filmemacher)

Achim Szepanski, Karl-Heinz Dellwo

Szepanski mit Karl-Heinz Dellwo (Foto: Privat)
Zu den Force-Inc.-Zeiten kannte ich Achim überhaupt nicht, ich bin ja erst 1995 aus dem Gefängnis gekommen. Zu den Musik-Geschichten kann ich deshalb wenig sagen, nur: Zu der Zeit, als ich ihn kennengelernt hatte, lief das ökonomisch nicht mehr so gut.
So richtig gut kennengelernt haben wir uns während des G20-Gipfels in Hamburg. Achim hat mit einem weiteren Freund bei uns gewohnt, Thomas Seibert. Wir haben Tag und Nacht diskutiert, über das Unmittelbare, über die politische Lage oder über seine Bücher geredet. Das war für uns alle eine ungemein produktive Zeit. Ein Hauch von Revolte lag über allem. Über ihn bin ich erst auf Begrifflichkeiten wie die Surplus-Bevölkerung gekommen. Da war er sehr weit vorne in seinem Denken.
Wir sind zusammen durch die Straßen gezogen und manchmal auch durch die Kneipen. Achim ist immer sehr radikal gewesen in seinen Aussagen. Insbesondere nachts. Morgens musste man ihm manchmal sagen, auch lachend: „Achim, das geht nicht, diesen Post musst du jetzt löschen.” Und das hat er dann auch gemacht.
Er war wahnsinnig belesen, besonders bezogen auf die Franzosen, Baudrillard oder Deleuze. Er saß Tag und Nacht an Büchern und hat die seltsamsten Webseiten gefunden. Das waren meist sehr qualifizierte Seiten, über die Aktualisierung des Marxismus und was dieser heutzutage bedeuten könnte. Viele wissen das gar nicht, aber er hatte ja einen beachtlichen Erfolg in China. Dort wurde sein Buch Kapital und Macht ins Chinesische übersetzt und ist im zweitgrößten marxistischen Staatsverlag erschienen.
Wir haben uns aber weniger im Abstrakten unterhalten, sondern immer versucht, von bestimmten Thesen zur Wirklichkeit zu kommen. Oder von der Wirklichkeit über das hinauszugehen, wie es allgemein interpretiert wird. Das ging mit Achim sehr gut. Außerdem war er auch im Alltag verankert. Er hatte teilweise eine ungeheure Wut auf die Linke gehabt und ist da auch oft angeeckt. Für ihn war sie zu passiv und inhaltlich vergreist.
„Schreib’ doch nur mal 150 Seiten.”
Achim stellte sich immer gegen eine Alternativlosigkeit. Für ihn war die Suche nach Begriffen schon Praxis. Es ist ja so, dass wir derzeit über die Negation der Verhältnisse nicht hinauskommen, weil wir kein Konzept finden, aus dem heraus wir sagen: Wenn wir das und das jetzt umsetzen, könnten wir eine Gegenmacht aufbauen. Wir bleiben bei der Negation, aber die, das war Achims Punkt, muss auch Teil deiner Lebensgrundlage sein. Du kannst also nicht fröhlich alles mitmachen und gleichzeitig für die theoretische Negation einstehen. Die Ablehnung des Ganzen muss sich auch in deinem Leben widerspiegeln. Diese Einstellung hat Achim besonders gekennzeichnet.
Achim ist gerne losgepoltert, aber wenn du mal mit ihm zusammengesessen bist, war er ein total sensibler, wahnsinnig freundlicher Mensch. Man konnte sich mit ihm wunderbar unterhalten und ihn auch kritisieren. Dann hat er mit einem langgezogenen „Na ja, gut” geantwortet und war bereit, die Dinge anders zu betrachten. Wenn er nachts seine super radikalen Posts geschrieben hat, dann dachten wahrscheinlich viele, dass da jemand mit einem Knüppel in der Hand sitzt, der auf die Tastatur donnert. Es ist aber einfach nur über ihn gekommen, das Unhaltbare, das Kaputte und Nichtige der heutigen Welt. Gegen die Ekstase des Kapitals hat er sich die Ekstase der Revolution gewünscht.
Die Zusammenarbeit zwischen uns war meistens sehr einfach. Die anfängliche Schwierigkeit lag eher darin, dass seine Bücher immer 500 Seiten lang waren. Ich musste immer wieder sagen: „Schreib’ doch nur mal 150 Seiten.”
Wir haben zum Ende hin viel telefoniert. Manchmal war er deprimiert. Aber er hat auch versucht, das nicht gelten zu lassen. Selbst sechs Tage vor seinem Tod kam eine Nachricht, dass alles in Ordnung sei. Ich hatte eigentlich vorgehabt, wieder runterzufahren. Er war für mich ein wichtiger Freund und jemand, den man schätzt. Allein wie er rumgelaufen ist, ohne etwas hermachen zu wollen.
Achim war ein guter Freund und ein wertvoller Mensch. Wenn ich zurückdenke an unsere Zeit, macht mich das traurig. Er ist ja ein paar Jahre jünger als ich. Ich kenne niemanden, mit dem ich diese Auseinandersetzungen, die ich mit ihm hatte, führen könnte. Wenn jemand stirbt, sagt sich das so leicht: Die Person ist unersetzbar. Für bestimmte theoretische, aber gleichzeitig auch ins Radikale transformierte Dinge, gilt das für mich jedenfalls auch für Achim.