Leidenschaft, Unbesonnenheit, Glück, Rückhaltlosigkeit, … das alles sucht Anna Karenina – und weiß, dass sie es in der Ehe mit diesem frostig vornehmen, auf Karriere und Ansehen geeichten hohen Beamten nicht finden wird. Was bleibt (in Russland vor 150 Jahren) ist Verletzung der sittlichen Ordnung, Ehebruch – eine große Liebe zum Offizier Wronski, von der sie glaubt, was alle Liebenden glauben müssen, dass sie nie erkalten werde. Dass so etwas zerstörerisch sein kann, unlösbar, tragisch und tödlich endend, wussten zu allen Zeiten alle besonnenen Menschen, alle Anhänger der Fassung, die zu bewahren, der Fassade, die aufrecht zu erhalten sei. Der Gatte hatte doch ein »Angebot zur Güte« gemacht: »Ich ignoriere das, solange die Gesellschaft nichts davon weiß und mein Name noch nicht in Verruf gebracht ist. Und deshalb warne ich Sie jetzt nur. Alles muss bleiben, wie es war; nur wenn Sie sich selbst kompromittieren werde ich mich gezwungen sehen, Maßnahmen zum Schutze meiner Ehre zu ergreifen.« Hans Heller und Astrid Kramer lesen eine kluge Auswahl aus Leo N. Tolstois Text, der großen »Seelenforschung« durch Dialog und inneren Monolog, die diese Arbeit »zu einem der bedeutendsten Romane der russischen Literatur« werden ließ. Jens Fischer begleitet die Prosa mit seiner Akustik-Gitarre und elektronischen Effektgeräten – und Grit Schuster bebildert sie mit Videoprojektionen. Zum Schluss – so viel sei versprochen – tritt neben Begeisterung beim Publikum der Vorsatz, die 1000 Seiten Tolstoi nun bald mal in Angriff zu nehmen …