Nur wenige Bilder geben etwas Generelles über ihre Zeit wieder. Dies hier scheint eines davon zu sein. Inmitten der Clique von Machthaber bzw. Machthaberinnen, die sich als Lenker der Welt verstehen und von denen einige sich vom Kriminellen nur dadurch unterscheiden, dass sie den Raum staatlicher Legalität definieren können, strahlt der Schlachtexperte »MBS« Mohammed bin Salman aus Saudi Arabien in makelloser weißer Kutte stolz neben dem Präsidenten der USA. Der Schlachtmeister inszeniert sich zugleich wie ein Jesus mit seinen Jüngern. Ganz rechts außen: Angela Merkel. Man könnte meinen, die Bundeskanzlerin suche aus Anstand die größtmögliche Entfernung zum Fleischerer, jedoch widerspricht die deutsche Wirtschaftspolitik dieser Vermutung auf der unabweisbaren sachlichen Ebene und entblößt sie als Petitesse im Überbau des eigenen Moralsystems, wie gleichzeitig auch links im Bild der potentielle Massenmörder an der indigenen Bevölkerung Brasiliens, Jair Bolsonaro deutlich macht, dass die räumliche Entfernung im Gruppenbild in keiner Weise für irgendeinen inhaltlichen Dissens im Blick auf den Menschen steht. Gleichwohl gibt es Unterschiedlichkeiten: Frau Merkel lässt niemanden abschlachten und einige andere dort auch nicht, wenngleich die Politik, die sie vertreten in der Folge zur unzähligen Vernichtung von Leben auf der Welt führt. Das nennt sich dort dann die »unsichtbare Hand des freien Marktes«, die den Mächtigen der Welt erlaubt, dem Tod zuzuschauen und sich unschuldig dabei zu fühlen. Man fragt sich, was da auf dem Bild zusammenkommt, wo die Formen der Herrschaft unterschiedlich sind? Aber es ist genau diese Herrschaft, die in unterschiedlicher Form dort zusammentrifft, in der sich ihre Inhaber gegenseitig erkennen. Man erkennt sich im geheimen Blick im blutigen Verhältnis zur Welt als Bedingung der eigenen politisch-ökonomischen Existenz und findet deswegen keine Trennung untereinander. Sie gehören tatsächlich auch alle zusammen.
28.06.19
Karl-Heinz Dellwo
english Version:
Only a few pictures give something general about their time. This seems to be one of them. In the midst of the clique of rulers who see themselves as steering the world and some of whom differ from criminals only in that they can define the space of state legality, the battle expert "MBS" Mohammed bin Salman from Saudi Arabia beams proudly in immaculate white robes next to the president of the USA. At the same time, the battle master stages himself like a Jesus with his disciples. On the far right: Angela Merkel. One might think that the Chancellor, out of decency, seeks the greatest possible distance from the butcher, but German economic policy contradicts this assumption on the unavoidable factual level and exposes it as a petitesse in the superstructure of its own moral system, just as at the same time the potential mass murderer of Brazil's indigenous population, Jair Bolsonaro, on the left of the picture makes it clear that the spatial distance in the group picture in no way stands for any substantive dissent with regard to human beings. Nevertheless, there are differences: Frau Merkel does not allow anyone to be slaughtered, and neither do some others there, even though the policies they advocate lead to the destruction of countless lives in the world. This is then called the "invisible hand of the free market", which allows the powerful of the world to watch death and feel innocent about it. One wonders what is coming together in this picture where the forms of domination are different? But it is precisely this domination that comes together there in different forms, in which its holders recognise each other. One recognises each other in the secret gaze in the bloody relationship to the world as a condition of one's own political-economic existence and therefore finds no separation among themselves. In fact, they all belong together.
28.06.19
Karl-Heinz Dellwo