Am Eröffnungsabend von Run Against stellen sich Karl-Heinz Dellwo und Isolde Charim der Frage „Wohin mit unserem Widerstandspotential?“ Das Gespräch im Welser Soundtheatre moderiert Thomas Schmidinger.
Bevor es um gegenwärtige und künftige Protestformen geht, manifestieren beide Podiumsgäste die Unterschiede, die sie zu den Entwicklungen der 1960er Jahre sehen: Dellwo spricht von einem anderen gesellschaftlichen Rahmen, und von anderen Fragen und Zielen. Charim stellt fest, dass es kein „Innen und Außen“ mehr gibt, auch kein „Alles oder Nichts“, und auch keine „Hoffnungserzählungen“. An diesen Stichwörtern hängt sich das Gespräch nun erst einmal auf, die gegensätzlichen Positionen der beiden werden deutlich.
Für Dellwo ist zum Beispiel alles verloren ohne „Alles oder Nichts“, ohne Hoffnungserzählungen. Darüber hinaus sieht er eine Notwendigkeit darin, das System in Frage zu stellen: „Wir brauchen eine Revolution! Sie ist nicht ansteuerbar, sie kommt, von außen.“ Für Charim hingegen geht es nicht um die Systemfrage. Alles radikal in Frage zu stellen sei romantisch, aber der falsche Weg. Weiters stellt sie in Frage, ob es eine Außen-Position überhaupt noch gebe, von der aus das möglich sei.
Einig sind sich die DiskutantInnen, dass eine Veränderung her gehört und, dass Widerstand auf Wut beruht, auf dem Gefühl der Ungerechtigkeit. Die Verelendungs-Theorie wird zurück gewiesen. Schmidinger weist auf das Integrationspotential des Kapitalismus hin und fragt außerdem, was ausschlaggebend sei, für eine reaktionäre oder progressive Entwicklung von Widerstand. Für Dellwo liegt es in der Natur der Revolution, dass sie nicht steuerbar sei und in eine „falsche“ Richtung gehen könne. Verwerfen kann er sie nicht: „Sie ist manchmal einfach notwendig. Revolution ist das einzige Naturereignis, das ich akzeptiere.“ Skeptisch blickt er in die Zukunft und sieht Anzeichen für einen neuen Faschismus, zum Beispiel im Aufkommen einer „Volksgemeinschafts-Ideologie“ und fürchtet Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten.
An früher Stelle des Gesprächs fällt das Schlagwort des Wirtschaftens. Ausgehend von einer Publikumsfrage nach der Rolle des Finanzkapitals wird später über das Primat der Ökonomie und über die Farce westlicher Demokratien gesprochen. Aus dieser schließt Charim: „Natürlich müssen wir handeln!“, auch wenn sie sich Widerstand von Seiten der Politik erwartet und für ein Festhalten an Demokratie plädiert: „Es wird nie die Demokratie geben, Demokratie ist immer im Kommen und Werden.“ Gegen Ende des Abends wird von Dellwo noch die mehrwertorientierte Produktionsweise in Frage gestellt und die Unumgänglichkeit einer Veränderung der ökonomischen Verhältnisse unterstrichen.
Der Kapitalismus steckt in der Krise. An diesem Donnerstagabend werden Fragen aufgeworfen, die uns mehr und mehr beschäftigen (müssen): Was tun? Was wird kommen? Wird sich aus einzelnen Revolten eine umfassende Revolution entwickeln? Wenn ja, in welche Richtung wird sie gehen? Was können und wollen wir wie beeinflussen? Positiv gestimmt wird auf vereinzelte Proteste geblickt und massig Diskussionsmaterial aus dem kontroversen Gespräch mitgenommen. Patentlösungen werden keine präsentiert, weil es diese natürlich nicht gibt.
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