Militärattaché Oberstleutnant Andreas von Mirbach und Wirtschaftsattaché Heinz Hillegaard starben am Abend des 25. April 1975. Stunden zuvor waren sie vom „Kommando Holger Meins“ in der deutschen Botschaft in Stockholm als Geiseln genommen worden. Die sechs RAF-Terroristen, darunter auch Karl-Heinz Dellwo, wollten mit dieser Aktion die Freilassung von 26 Gesinnungsgenossen erpressen. Zu diesen zählten auch die RAF-Gründer Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, die damals schon im Gefängnis saßen.
Doch der Plan ging nicht auf, auch zwei RAF-Terroristen starben, als Sprengstoff explodierte. Warum die RAF damals überhaupt zu den Waffen gegriffen hat, beschreibt Dellwo im STANDARD-Gespräch heute so: „Unsere grundlegende Erfahrung war: Der Nazifaschismus hat bis zum letzten Tag gehalten und musste mit aller Gewalt niedergeschlagen werden.“ Er selbst wollte ein „unumkehrbares Verhältnis“ zur „herrschenden Klasse der Nachkriegszeit, die zum großen Teil von Alt-Nazis gestellt wurde“.
Ausschlaggebend, so Dellwo, sei aber auch der Blick über Deutschlands Grenzen gewesen: „Nirgendwo ist der Imperialismus freiwillig aus seinen Kolonien verschwunden. Algerien, Vietnam, Angola, Südamerika – überall in der Welt gab es bewaffnet Kämpfe um eine eigenständige Entwicklung. Links und Militanz schienen eine Einheit zu sein, die Befreiung von der alten Ordnung war nur gewaltsam möglich.“ Dellwo wurde am 20. Juli 1977 zu lebenslanger Haft verurteilt und kam im Frühjahr 1995 frei. Da war die RAF schon auf dem Weg zur Selbstauflösung, die dann 1998 erfolgte. Warum scheiterte das Projekt? Dellwo: „Unser revolutionärer Wille entsprach nicht der Reife der Zeit. Irgendwann haben wir gemerkt, wir können uns zwar reproduzieren. Aber das, was die RAF ursprünglich sein wollte – Initiatorin einer großen Bewegung – trat nie ein.“
"Kampf verlor sozialen Gehalt"
Die anfängliche Sympathie der Bevölkerung für die RAF und deren Versuch, die alte Ordnung zu durchbrechen, war dahin. „Man sah, dass der Kampf immer militaristischer wurde. Er verlor seinen sozialen Gehalt und seine emanzipatorische Bedeutung. Deswegen musste man das beenden“, sagt Dellwo, der jetzt als Filmemacher in Hamburg lebt und am heutigen Freitag auf der Frankfurter Buchmesse seine Geschichte mit der RAF präsentiert (Das Projektil sind wir, Edition Nautilus).
An die Opfer der RAF denkt der 55-Jährige noch und meint 30 Jahre danach: „Wenn der Kampf vorbei ist, muss man alle Toten bedauern.“ (bau)