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Vers- u. Kader: »Ein schlichtes Herz« von Gustave Flaubert, 16.12.2013

Montag 16. Dezember, Polittbüro, 20 Uhr:
HANNELORE HOGER
liest »EIN SCHLICHTES HERZ«
von GUSTAVE FLAUBERT

Vers- und Kaderschmiede: HANNELORE HOGER: "Ein schlichtes Herz" von Gustave Flaubert

"Ein halbes Jahrhundert lang beneideten die Bürgerinnen Frau Aubain um ihre Magd Félicité. Für hundert Franken im Jahr versah sie Küche und Haus, nähte, wusch, plättete, verstand ein Pferd zu schirren, Geflügel zu mästen, zu buttern – allezeit ihrer Herrin treu, die nichts weniger war als eine angenehme Person." - "Mit fünfundzwanzig Jahren sah sie aus wie eine Vierzigjährige. Von den Fünfzigern an nahm man keine Altersveränderung mehr an ihr wahr; und in ihrer Schweigsamkeit, mit ihrer steifen geraden Haltung und ihren abgemessenen Bewegungen machte sie den Eindruck einer automatisch funktionierenden Holzfigur." Natürlich ist die Magd Félicité keine »Holzfigur«, schließlich ist sie ein literarisches Geschöpf von Gustave Flaubert, der die genaueste Beobachtung und Darstellung, die "strenge Objektivität des Anatomen", zu seinem schriftstellerischen Leitmotiv gemacht hat. Dadurch wurde er zum großen Vorbild, nicht nur in Frankreich, der Autoren des realistischen Romans. So bedrückend ihre Bereitschaft zur Selbstaufgabe, zur Akzeptanz ihres stumpfen, monotonen Lebens auch sein mag, ihre erwiderte Zuneigung zu den Kindern ihrer Herrin sowie zu ihrem Neffen Victor schenkt ihr doch Momente des Glücks. Als die Kinder aus ihrem Leben verschwinden, konzentriert sich all ihre Aufmerksamkeit, alle bescheidenen Sehnsüchte des "schlichten Herzens" auf den Papageien Loulou... Diese kleine (1877 erschienene) Erzählung über eine Frau von "ganz unten", fesselt – so viel sei versprochen – in ähnlicher Weise wie Flauberts unübertreffliche "Madame Bovary".